Regen, Bergmassiv & eisige Schneewand
Regen, Regen und nochmal Regen
In unserer 6. Norwegenwoche mussten wir das erste Mal wetterbedingt an einer Stelle bleiben und konnten nicht weiterziehen. Es regnete ununterbrochen. Sogar das Innenzelt wurde nass, da es auf die Bodenplane geregnet hatte und sich daraufhin eine Pfütze unter unserem Innenzelt bildete. Seitdem kontrollieren wir besonders aufmerksam die Lage der Bodenplane.
Am nächsten Tag wurden wir 1,5km vor unserem Tagesziel von einem starken Regenschauer überrascht. Wir wanderten weiter, da es so aussah, als würde es erstmal länger dabei bleiben. Völlig durchnässt und am Frieren bauten wir unser Zelt auf. Wie gut, dass bei unserem Zelt erst das Außen- und dann das Innenzelt aufgerichtet wird. Schnell packten wir Isomatte und Schlafsack aus, befreiten uns von der nassen Kleidung und kuschelten uns in unsere Schlafsäcke. Nur langsam kam die Wärme zurück.
Nach 2 Stunden schienen die Wolken ausgeregnet zu sein und wir hatten Hunger. Daher suchten wir Feuerholz, welches natürlich ziemlich feucht war – ganz zu schweigen von unseren Hosen und Jacken. Als wir uns um das Feuer kümmerten, brachen plötzlich warme Sonnenstrahlen aus den Wolken hervor. Das ging ins Herz. Es wurde sofort wärmer und unsere nasse Kleidung fing an zu dampfen. Der Kartoffelpüree dampfte auch bald (für alle die unser 13.Video auf YouTube gesehen haben :D). Wir waren so dankbar.
Die Temperatur wandert Richtung 0°
Eiszapfen hängen an der Jagdhütte. Sobald wir den Schlafsack verlassen wird es richtig kalt. Unser Geschirr spülen wir nicht mehr, da die Hände bei dem kalten Gletscherwasser und der noch kälteren Umgebungstemperatur nur schwer wieder warm werden. Ist das der Punkt, wo wir umkehren sollen? Kleidungstechnisch kommen wir nun an unsere Grenzen und dabei sind wir noch 200m unter unserem nächsten Tagesziel. In kleinen Wolkenlöchern sehen wir vermehrte Schneefelder auf der vor uns liegenden Strecke. Laut WetterApp soll sich das Wetter aber in den nächsten Tagen enorm verbessern und wärmer werden.
Daher packen wir unsere Rucksäcke und ziehen weiter.
Kneippkur bei unter 5°
Bevor es richtig los geht müssen wir einen Fluss überqueren, der keine Brücke besitzt. Da wir unsere Schuhe nicht noch nasser machen wollen, heißt es „Schuhe aus – Zähne zusammen beißen und barfuß durch“. Das war eine ordentliche Kneippkur. Beim Abtrocknen der Füße haben wir diese nicht mehr gespürt. Dafür wurden sie beim Wandern, wenn man immer schön den ganzen Fuß abrollt, schnell wieder warm.
Der Tafelberg
Majestätisch erhebt sich das grau-schwarze Bergmassiv am Horizont. Gigantisch steht er da – der Harteigen. Weiße Schneefelder bedecken ihn wie kleine Decken. Dazwischen stechen schwarze Steilwände in die Höhe und erreichen 1.600m. Schon zu Beginn unserer Hardanger-Tour haben wir diesen gewaltigen Tafelberg sehen können. Jetzt kommen wir ihm immer näher.
Hoch auf 1.400 Meter
Unser Aufstieg auf 1.400m wurde erneut mit blauem Himmel und Sonnenschein gesegnet. Ein großer Raubvogel mit weiß gefleckten Federn stieß seinen Ruf ins Tal und segelte durch die Lüfte. Zu unserer rechten graste auf steilen Hängen ein Mutterschaf mit ihren drei Lämmern. Unser Weg ging über ein steiles Schneefeld. Jeder Schritt musste gut sitzen. Jonathan ging vor und stieß Fußstapfen in den Schnee, damit wir beide leichter hoch kamen.
Oben angekommen erfüllte Freude, Staunen und Ehrfurcht unser Herz. Die Aussicht war gewaltig – nicht nur ins Tal, sondern auch auf den nun noch größer wirkenden Tafelberg. Zerklüftete Wände, gewaltige Felsbrocken und große gefrorene Eiszapfen waren zu erkennen. Abgebrochen Felssteine formten am Fuß des Berges auf ca 1.400m gewaltige Geröllfelder. Der Berg regte unsere Fantasie an. Es scheint als ob jemand unter der Erdoberfläche mit der Faust nach oben geschlagen hat und dabei dieses Massiv herausgedrückt wurde.
Vom Regen zum Schnee
Der blaue Himmel war wie in der letzten Woche nur von kurzer Dauer. Eisiger Wind zog auf und wir beeilten uns weiter zu kommen, um einen windgeschützten Schlafplatz zu bekommen. Zahlreiche z.T. um die 2m hohen Schneefelder tauchten zwischen den Wiesenflächen auf. Hier oben herrschen ganz andere Temperaturen. Die Wolken wurden immer dunkler. Es schien, als würden sie gefüllt mit Regen immer tiefer sinken und sich ihrer Last bald entleeren wollen. Wir suchten eilig einen Lagerplatz. Den erhofften Windschutz gab es hier in der Gegend leider nicht. Der Wind fegte über unser Zelt und ließ die Temperaturen noch eisiger wirken, als sie waren.
Kartoffelpüree im Zelt
Bei solchen Wetterverhältnissen machte es keinen Sinn draußen zu kochen. Es hätte zu lange gedauert und als Folge wären wir beide bis auf die Knochen durchgefroren. Also probierte Jonathan das erste Mal im Vorzelt mit Spiritus das Wasser zu erhitzen. Es war spannend, aber es hat funktioniert – Gott sei Dank dafür. Das warme Abendessen (Kartoffelpüree mit Linsen und Ei) war so wertvoll für uns und tat unglaublich gut. In dieser Nacht koppelten wir unsere Schlafsäcke, um besser gegen die Kälte gewappnet zu sein. Ganz nach dem Bibelvers aus Prediger 4, 11: „…wenn zwei beieinander liegen, so werden sie warm; der einzelne aber, wie will er warm werden?“
Kalte Temperatur und Technik
Letzte Woche waren die kühlen Temperaturen bezüglich der Technik noch praktisch und akkusparend. Je höher wir allerdings auf den Berg kamen, umso deutlicher drehte sich das Blatt. Sämtliche Drohnen und Kamera Akkus verloren Strom, genauso wie unsere Handys. Ohne Benutzung rutschte das Energielevel der Akkus um 50% nach unten. Da es an unserem Lagerplatz zu feucht und windig war und die Sonne nur selten vorbei schaute, konnten wir die Powerbank nicht mit dem Solarpanel aufladen. Strom wurde noch mehr als vorher zu einer kostbaren Ware.
Die riesige Schneewand
Am nächsten Morgen machten wir uns früh auf den Weg. Unser geplanter Lagerplatz sollte 100m tiefer liegen. Aber uns trennten noch einige Kilometer. Gleich zu Beginn ging es über ein breites, langes Schneefeld, das an der höchsten Stelle 2m betrug. Wolfsspuren waren im Schnee zu sehen. Es war spannend und gleichzeitig beängstigend über eine Ebene zu gehen, deren Untergrund nicht ersichtlich ist. Wie gut, dass wir unsere Wanderstöcke dabei haben, sodass wir die Stabilität des Eises austesten konnten. Es folgte das nächste Schneefeld. Auch dieses konnten wir dankbarerweise sicher überqueren.
Doch dann sahen wir die riesige Schneewand mit Gletschercharakter. Die Steine mit dem roten T, welche unsere Route markieren, führten in die Wand hinein, sozusagen durch die Wand hindurch. Links und rechts wurde das Schneemassiv von steilen Schiefernwänden umgeben. Am Fuße der vereisten Schneewand hat sich eine Grotte gebildet, die mit dem langsam abtauenden Schnee einen kleinen See tränkte. Die Schneewand konnten wir nicht überqueren. Auch die Felswände waren zu steil und nass, als dass wir diesen Weg hätten einschlagen können.
Point of return
Wir erkannten schnell, dass dies nun der Punkt war, an dem es hieß umzukehren. Enttäuscht und resigniert, dass wir unser geplantes Ziel nicht erreichen können, schulterten wir unsere Rucksäcke und begaben uns auf den Rückweg.
Gleicher Weg – neue Perspektiven
Unsere Enttäuschung wurde bald von Dankbarkeit verdrängt. Wir waren froh, dass der Zeitpunkt umzukehren früh genug war, sodass wir für den Rückweg noch genügend Essen haben. Auch der Abstieg über das Schneefeld am Tafelberg war schon sichtlich gefährlicher, da der Schnee nicht mehr so fest war. Wer weiß, wie das ganze in 2 oder 3 Tagen ausgesehen hätte. Beim Abstieg wurden wir erneut mit Sonnenschein beschenkt. Es gibt so viel wofür wir dankbar sind. Selbst die Wege, die wir eigentlich schon einmal gegangen sind, erscheinen uns z.T. völlig neu. Wir sehen nun alles wortwörtlich aus einer neuen Perspektive. Es ist so erstaunlich und gleichzeitig faszinierend, was wir alles dabei entdecken.
Wir durften erleben, wie scheinbar blöde Situationen zum Guten geführt werden.
Folgende Videos ergänzen den Blogbeitrag: